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Der Blonde mit dem irren Blick -13-

Wirklich schön! Hinnerk stand an einem Lesepult und las die Geschichte, Lizzy Müller schlüpfte kongenial mal in die Rolle der Allerliebsten, mal in die der schrulligen Frau Ruckdäschl.
Mit zwei Personen und nur einer Handvoll Requisiten kann man die Geschichte nicht besser umsetzen.

Dementsprechend groß war auch der Erfolg beim Publikum, das frenetisch klatschte und jubelte, als die Geschichte zu Ende war.

Doch dann passierte es!

Der Wirt des Dorfkugs und seine Bedienungsmannschaft hatten schon darauf gewartet, daß endlich Pause ist und nahmen die nun einsetzende Musik und den Applaus als Anlaß, nun eine Pause zu vermuten.
Die Tür schwang auf und der Dickbauch in den gestreiften Fettschmierhosen und seine zwei Bedienungen kamen mit Wirteblöcken und gezückten Schreibern in den Saal, natürlich nachdem sie vorher die volle Saalbeleuchtung eingeschaltet hatten, und begannen an den Tischen die Bestellungen der inzwischen durstig und hungrig gewordenen Gäste aufzunehmen.

Lizzy Miller und Hinnerk van der Grube standen derweil völlig perplex auf der Bühne, eigentlich hatten sie noch einen Kanon singen wollen, aber dazu kam es dann nicht mehr, denn der Techniker drückte einfach den Knopf für den Vorhang, der sich zügig vor die Bühne schob.

Ende erster Akt.

Hinter der Bühne in der kleinen Garderobe erlitt Lizzy einen Nervenzusammenbruch, riß sich das Brautkleidchen vom dürren Leib und Hinnerk bekam pochende Adern auf Schläfe und Stirn.
Frau Oberhammer und ich, die den beiden so geschundenen Seelen nun Beistand leisten wollten, bekamen in vollen Kübeln nun den gesamten Zorn der beiden ab.

„Unprofessionelle Provinzler! Kunstbanausen, Idioten, fettleibiger Schmierenwirt, Dreckspack! Die sind es nicht wert, daß wir unsere Kunst vor denen verschleudern! Wir treten nicht weiter auf! Wir treten nicht mehr auf! Hier ist jetzt das Ende! Wir schmeißen alles hin! Wir gehen sofort nach Hause! Auf keinen Fall betreten wir die Bühne nochmal!“

So ging es über zehn Minuten lang in einer Tour, jedoch nur aus dem Munde von Lizzy Miller. Unterdessen tigerte Hinnerk mit finsterem Blick in dem kleinen Raum auf und ab und steigerte sich immer mehr in seine Wut hinein.
Da war er wieder, dieser irre Blick!

„Ich könnte die da draußen alle in den Arsch treten!“ schimpfte er so laut, daß ich Angst hatte, die Leute draußen könnten davon etwas mitbekommen, doch das Klappern von Schnitzeltellern, Besteck und Gläsern und das Stimmengewirr war lauter.

„Meine Güte“, versuchte ich die beiden zu beruhigen: „Hört Euch doch mal an, wie zufrieden die Leute jetzt speisen. Eine Pause war doch sowieso eingeplant, das war doch eine der Bedingungen, damit ihr den Saal kostenlos nutzen könnt. Der Wirt muß doch seine Sachen verkaufen können, sonst verdient er doch nichts.“

„Ja, aber doch nicht mitten in unserer Vorstellung, es wäre noch ein Lied gekommen und ein Gedicht, dann hätte man eine ganz kleine Pinkelpause machen können, außerdem haben wir von einer so langen Pause nichts gewußt, das geht uns auch nichts an, das ist eine Scheißorganisation!“ zeterte Lizzy.

Frau Oberhammer war den Tränen nahe. Die gutmütige Dickmadame hatte sich alle nur erdenkliche Mühe gegeben, es den beiden Protagonisten schön zu machen und jetzt wurde sie so gescholten. Hilflos blickte sie mich an.
Ich ergriff das Wort: „So, jetzt hört mir mal zu! Ihr seid doch Künstler und pocht immer so auf die Professionalität, dann seid jetzt auch mal professionell und steht über der Situation. Wenn die in zehn bis fünfzehn Minuten fertiggegessen haben, dann lassen wir wieder Musik spielen, fahren das Licht wieder runter und ihr tretet mit dem zweiten Teil des Programmes ganz normal auf. Ihr werdet sehen, keiner von denen da draußen hat etwas davon gemerkt, daß ihr auf die Pause nicht vorbereitet gewesen seid. Glaubt mir!“

Sie glaubten mir nicht.

Es kam so, daß Frau Oberhammer und ich noch wenigstens eine Viertelstunde auf die beiden einreden mußten, bis sie sich bequemten, uns die Gnade zu erweisen, gütig mit nickenden Häuptern und schmollenden Mündern zuzustimmen, doch noch weiter aufzutreten.

Im Saal hatte, genau wie ich es vorhergesagt hatte, kein Mensch mitbekommen, daß da eventuell etwas nicht nach Plan gelaufen sein könnte.
Die Leute waren satt, mit Getränken versorgt, hatten sich fast alle auf der Toilette erleichtert und auch die Raucher waren wieder vom Pausenzigarettchen an ihre Plätze zurückgekehrt.

Langsam verdunkelte sich der Raum, der Techniker und sein Gehilfe ließen Musik spielen, Ruhe kehrte ein.

Der Vorhang fuhr langsam auf, doch…

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 25. Februar 2014 | Peter Wilhelm 25. Februar 2014

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4 Kommentare
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comicfreak
10 Jahre zuvor

*gebrochen*

..das machst du mit Absicht..

*dahinsiech*

whiskey
10 Jahre zuvor

„Der Vorhang fuhr langsam auf, doch…“
an dieser stelle riss dem schriftsteller das farbband seiner triumph adler schreibmaschine. vorräte waren keine vorrätig, sodaß eine fortsetzung erst in 2 wochen zu erwarten ist nach lieferung durch barbrüstige amazonen.

simop
10 Jahre zuvor

Oh, dieser Cliffhanger ist jetzt aber oberfies! 😀

Désirée
10 Jahre zuvor

Nettes Borderline-…äh…Künstler (puh)-Pärchen 😀




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