Menschen

Migranten, Ossis und Behinderte -I-

Da hat also nun ein Arbeitgeber eine Kandidatin für eine freie Stelle aussortiert. Die Gründe dafür sind uns unbekannt, vielleicht hatte sie nicht die notwendige Qualifikation, vielleicht gab es einfach Dutzende anderer und besserer Bewerber, keiner weiß das ganz genau.

Schlagzeilen hat das Ganze aber deshalb gemacht, weil irgendwer in der Firmenleitung nicht nur ein gelbes Klebezettelchen mit seiner Einschätzung der Bewerbung angebracht (und wieder entfernt) hat, sondern auf die (dann auch noch so zurückgeschickten) Bewerbungsunterlagen – Ossi draufgeschrieben hat.

Ein Gericht mußte dann klären, ob „Ossis“ eine eigene „Ethnie“ sind, so ein Blödsinn.
Ob nun Ausländer oder nicht, es muß jedem Arbeitgeber doch innerhalb gewisser Grenzen freigestellt sein, ob und wen er einstellt. Aber wie blöd muß man sein, wenn man dann so einen „Kommentar“ wie – Ossi auf den zurückgesandten Bewerbungsunterlagen hinterlässt?

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Je kleiner ein Betrieb ist, umso weniger wahrscheinlich ist es, daß für Sonderfälle generell auch ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Manchmal passt es, manchmal passt es eben nicht.
Ich erinnere mich daran, wie sich vor Jahren einmal ein Rollstuhlfahrer bei uns beworben hat. Seine Qualifikation hat für die bei uns anfallenden Büroarbeiten ausgereicht und ein Sozialträger hätte auch diverse Kosten übernommen.
Nun saß aber der Mann in einem Spezialrollstuhl, in dem er eine fast liegende Position eingenommen hatte und der deshalb einen solchen Wendekreis hatte, daß bei uns die Türen zum Büro zu schmal waren. Nun, auch dafür hätten wir einen Zuschuss bekommen, um eben diese Türen umbauen zu können.
Dann aber hieß es, der Mann könne überhaupt nur maximal drei Stunden am Stück arbeiten und sei bisweilen bis zu drei Monate am Stück arbeitsunfähig, was so etwa einmal bis zweimal im Jahr vorkomme, eher zweimal…

Insgesamt hätte uns der Umbau des Arbeitsplatzes mit allen erforderlichen Maßnahmen an die 12.000 Euro gekostet. Und das wären nur die Maßnahmen gewesen, die sozusagen vorgeschrieben wurden, hinzugekommen wäre noch der Umbau der Besuchertoilette, die zwar behindertengerecht ist, aber nur in einer Kabine einem Rollstuhlfahrer in einem herkömmlichen Rollstuhl gerecht wird und nicht einem, der so eine Art offenen smart manövriert.
Und an Zuschüssen hätten wir gerade einmal 65% der Kosten bekommen.

Wirklich, der Mann war sehr nett, aber ich konnte ihn nicht einstellen, beim besten Willen nicht.
Denn er wäre nur im Büro am Computer und am Telefon einsetzbar gewesen und hätte natürlich keine Beratungen außer Haus durchführen können. Der einzige Arbeitsplatz, der für ihn in Frage gekommen wäre, war der von Frau Büser und ich kann doch keine Frau entlassen, die schon Generationen bei uns arbeitet.

Wir haben das sorgfältig abgewägt, lange mit dem Mann gesprochen und schließlich sind wir überein gekommen, daß es keinen Zweck hat. Vor allem hatte er die Befürchtung, daß vielleicht der Stress zuviel für ihn werden könnte und er nach kurzer Zeit schon wieder aufhören müsse. Seine Vita zeigte ohnehin, daß er nicht besonders beständig war.
Tja, und was war die Folge? Ich mußte mich dann von einem Sozialarbeiter des Förderwerks als behindertenfeindlich beschimpfen lassen.

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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 9. Juli 2012 | Peter Wilhelm 9. Juli 2012

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Avarion
14 Jahre zuvor

Und den hast du nicht zusammengefaltet?

Rena
14 Jahre zuvor

Blöde Leute gibbet überall. Es ist nicht nur daneben, den Vermerk Ossi auf den Bewerbungsunterlagen zu hinterlassen. Ich käme nie auf die Idee, deswegen die Firma zu verklagen. Wenn die Ossis eine ethnische Minderheit wären, müssten es die Franken, Bayern, Saarländer und wer_weiss_wer_noch_alles auch sein.

Wusste der Typ vom Förderwerk dass ihr (Bewerber und Du) euch einig über die nicht-Einstellung wart? Vl kam es bei ihm anders an? Alles möglich. Oder er ist von Haus aus ***

Fraggel
14 Jahre zuvor

Tom, Du hattest Kontakt mit der Wohlfahrtsmafia. Ein riesen Brimborium welcher zig von „Helfern“ beschäftigt obwohl dem Mann vieleicht mehr mit einem Job gedient wäre welcher von Zuhause zu erledigen ist. (Oh welch ein Aufschrei! Dem Mann können doch nicht die sozialen Kontakte verwehrt werden)
Auf jeden Fall ein Thema bei dem man sich schnell eine zweistündige Diskussion mit Doppelnamenträgerinnen einhandeln kann an derem Ende man völlig das A**** ist.

Oliver
14 Jahre zuvor

Tröstet euch, auch Wessis habens nicht leicht:
http://www.youtube.com/watch?v=27wkJ6KDolk 😉

Turtle
14 Jahre zuvor

Rena hat recht, Bloede und Idioten gibt es ueberall. Wobei solche Leute meist nicht mal Idioten oder Bloede sind, sondern nur etwas verbohrt. Immer nur Gutes tun wollen, kann auch nach hinten losgehen, wenn man den Bezug zur Realitaet etwas verliert.

Was die Ossi-Dame angeht: Der potentielle Arbeitgeber war und ist(?) tatsaechlich ein Idiot erster Guete. Allerdings bin ich als Ossi auch sehr froh drueber, dass uns das Gericht nicht zu einer Ethnie gemacht hat 🙂 An dieser Stelle beweist dieses lustige Gleichbehandlungsgesetz auch gleich mal wieder eine Schwaeche, da dort – neben anderen Dingen – die Diskriminierung nach „Rasse“ und „ethnischer Herkunft“. verboten ist. Ersteres sollte eigentlich keiner mehr verwenden, schon gar nicht der Gesetzgeber, da damit etwas angenommen wird was so gar nicht existiert, naemlich „menschliche Rassen“. Und man haette bei Herkunft vllt. auch einfach das „ethnisch“ weglassen sollen oder wahlweise durch „sozial“ ergaenzen sollen. Denn genauso wie Ossis trifft ja auch den einen oder anderen Hartz-IV-Empfaenger die geballte Macht der Vorurteile, wobei die ja nun auch keine Ethnie sind.

JohnB
14 Jahre zuvor

Das das Anti-Diskriminierungsgesetz hier zu kurz greift ist genau der Punkt. Es kann doch nicht sein, dass ein potentieller Arbeitgeber die Herkunft, welche ja nun objektiv absolut nicht relevant ist, als negativ Merkmal bewertet. Dann auch noch so blöd zu sein und den Vermerk mit zurück zu schicken schreit förmlich nach Bestrafung.
Insofern juristisch vielleicht korrekt, moralisch unterste Stufe.

Ralle
14 Jahre zuvor

Dass das ganze dumm war, ist ja hinreichend erklärt worden…

Ansonsten fehlen mir noch ein paar Fakten, um die ganze Geschichte hinreichend beurteilen zu können. Was, wenn die Notiz „Ossi“ einfach nur eine Gedankenstütze und nicht der Ablehnungsgrund war? So nach dem Motto: „das war die Bewerbung von der ‚Ossi’tante, das hier ist die von dem Kerl mit der ‚Glatze‘ und die da ist von dem Typen der aussieht wie ‚Heino‘.

Orbeidn
14 Jahre zuvor

Und was ist jetzt das Fazit der Geschichte? Dass Ossis behindert sind, oder was? Da wird erst der Fall erläutert von dem Bewerber, dessen Bewerbung nach Durchsicht ein „Ossi“ geziert hat und ein Rollstuhlfahrer, der offenbar nicht in der Lage war bei einem Bestatter zu arbeiten.

Blöder Vergleich…

Tichondrius
14 Jahre zuvor

Orbeidn: Erst ein Fall wie man es nicht macht, wenn man jemanden nicht einstellen will. Dann der Fall wie man es macht, wenn man jemanden nicht einstellen kann.

Meri
14 Jahre zuvor

Sozialarbeiter des Förderwerks mit dem liebenswürdigen Charme einer Birnbaumer-Nüsselschweif … per definitionem unausrottbar …

Tim
14 Jahre zuvor

Ich finde, daß es auch postive Diskriminierung gibt: einen Menschen mit Behinderung nur einzustellen, weil er/sie behindert ist oder einen Menschen mit Migrationshintergrund, nur weil er/sie einen Migrationshintergrund hat.

Jeder Mensch hat das Recht auf eine gleichberechtigte Behandlung. Und einen Menschen, der maximal drei Stunden am Tag arbeiten kann, kann sich eben nicht jedes Unternehmen leisten. Es gibt aber eben auch Träger, die solche Menschen einstellen.

Trotzdem, lieber Tom, solltest Du Dir Gedanken machen, ob Deine Filiale rollstuhlgerecht und nicht nur rollstuhlfreundlich ist. Schließlich kann Dir das auch einen guten Ruf bei Kund/innen mit Behinderung einbringen!

Kalle
14 Jahre zuvor

Gegen die These die Randnotiz „Ossi“ diene lediglich als Gedankenstütze spricht meiner Meinung nach das vorangestellte Minus. Es ist also eindeutig despektierlich.
Das das Antidiskriminierungsgesetz absolut nichts wert ist, ist auch klar. Diskriminierung kann man nicht verhindern. Notfalls schiebt man eben andere Gründe vor.
Und wenn schonmal ein „Arbeitgeber“ so dämlich ist seine fragwürdigen Kriterien versehentlich zu offenbaren, dann ist dieser Fall noch nichtmal von dem Gesetz abgedeckt. Man erkläre mir mal den Unterschied der Intention zwischen „-Ossi“ und „-Neger“
im Endeffekt ist es doch aber nicht ausschlaggebend ob es nun in die Bewerbung reingekritzelt wurde oder nicht, da die Meinung des „Arbeitgebers“ ja auch ohne dieses offensichtliche Zeugnis bestehen würde.

n.
14 Jahre zuvor

Ich verstehe Menschen nicht, die andere ausgrenzen/ diskriminieren, doch nach langer Rekruitingerfahrung habe ich eines gelernt:
auch wenn ich so was nicht nachvollziehen kann – die Bewerberin wäre nicht glücklich gewesen, wenn der Entscheidungsträger gezwungen wäre, sie einzustellen. Das Diskriminierungsverbot verbietet Handlungen, nicht aber die persönliche Einstellung. Und bei so einem Unternehmen würde ich nicht arbeiten wollen.

Manuela
14 Jahre zuvor

Man kann alles übertreiben. Wenn man z.B. einen Bewerber auf jeden Fall zu einem Vorstellungsgespräch laden muss, weil er Rollstuhlfahrer ist oder sonstwie beeinträchtigt, auch wenn er die objektiven Kriterien für die Stelle auf gar keinen Fall erfüllt, dann halte ich das für übertrieben. Ist aber so in Deutschland, da gibt es professionelle Kläger, die sich für jede Stelle bewerben und sofort wegen Diskriminierung klagen, wenn sie nicht zum Gespräch geladen werden. Davon können die gut leben. In Österreich wurde vor kurzem einem Schneider eine Klage angedroht, weil er Damenschneiderinnen suchte und keinen Damenschneider. Dass die Kundinnen vielleicht nicht so gerne von einem Mann vermessen werden, ist dabei egal. Wenn ich Unternehmer bin und halbwegs smart, finde ich immer einen objektiven Grund, jemand nicht einzustellen. Ich denke, man sollte es einem Unternehmer freistellen, wen er einstellt und wen nicht.

14 Jahre zuvor

Ich erinnere mich aus meiner Arbeits- und Ausbildungsstellen-Such-Zeit noch sehr sehr gut daran, dass ich bei ca. 25% der Rücksendungen eine Bemerkung fand die im Grunde sagte: „Wir wollen keine Ossis“. Da stand dann: „Wir wünschen Ihnen alles Gute, suchen Sie sich doch was in Ihrer Region.“ Ähm…
Ich hatte mich dran gewöhnt. Vielleicht hätte ich auch mal beim Gericht… Quatsch! Wer nicht will, der hat schon.




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